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Gabriele Howaldt



 

Der Beitrag von Dr.Gabriele Howaldt (Tafel 18) ist, mit freundlicher Genehmigung von Dr Jürgen Jensen, dem Buch "Tradition und Aufbruch im Schwentinetal" entnom- men (siehe unten).

Quellenangabe zum Beitrag:
1) Sic, obgleich zusammen mit "Deutsche Werke Kiel" 1939- 1945 "Kriegsmarinewerft Kiel"
2) Siehe 1850 in Meyer's Conversationslexicon
3) Anzeige im Wochenblatt zum Besten der Armen von Kiel, N0.36. Jg. 1838.
Faksimile in: 100 Jahre Howaldt, Kiel, 1938, nach Seite 22
Spätere Adresse Eisenbahndamm
4) Akten des Magistrats zu Kiel, 1837 -1853.
Stadtarchiv Kiel, Nr.316.
5) Offizielle Bekanntmachung vom 31.12.1879 (Fotokopie). Firmenarchiv Howaldtswerke-Deutsche Werft, Gaarden.
6) Glückwunsch-Faksimile in:
100 Jahre Howaldt, a.a.O., nach S.74.
7) Offizielle Bekanntmachung vom 22. Juni 1889. Firmenarchiv Howaldtswerke-Deutsche Werft, Gaarden.
8) Siehe Abbildungsanhang in: Rückblick auf die Tätigkeit der Kieler Schiffswerft bis zur Vollendung des hundertsten Schiffes, (Verf. und Hrg. Georg Howaldt), Kiel 1883
9) Urkarte Gemeinde Kiel, Gemarkung Dietrichsdorf, Nr.1, Blatt 68,1885 (revidiert 1884).Katasteramt Kiel
10) Siehe etwa Firmengrundriss auf Urkarte, wie Anm.9.
Nicht feststellbar, ob Verbindungsbau eine "gewölbte Kupferschmiede" aufnahm. So bei Paul Hirschfeld, Schleswig-Holsteins Großindustrie und Groß-Handel, Berlin 1894
11) Zum Architekten Monografie von Dieter Klewitz, Heinrich Moldenschardt 1839-1891, Ms. Diss. Darmstadt 1968
12) Moldenschardt-Nachlass im Landesmuseum Schleswig-Holstein, Schleswig, Schloss Gottorf.
13)Um 1900 Platz im Süden zur Hälfte durch neue Kesselschmiede abgeriegelt. Noch Ensembleansicht, westliche Giebelfront attraktiv mit hohen Rundbogenfenstern und Dreieckgiebel.
Siehe in: Howaldtswerke, 25 Jahre an der Swentine und der Kieler Förde, 1876 - 901, (Ehrengabe) Hrg. Die Angestellten der Howaldtswerke, (Hannover 1901) Plan S.7, Abb. im Fotoanhang. Um 1905 dann Ensembleansicht von der Schwentine zugebaut.
14) Moldenschardt-Nachlass (wie Anm. 12), Entwurf Südansicht Foto-Nr.Vl2065/I Werkansichten etwa in: 100 Jahre Howaldt, siehe Lit., s.II: Eisengießerei am Kleinen Kiel;
nach S.44: Faksimile-Briefkopf, 1849, mit Werk auf Rosenwiese.


Alte Metallgießerei

 

 

Die Howaldtsche Metallgießerei

von Gabriele Howaldt

"Kiel - - kenne ich gut", sagte der LKW-Fahrer zu der deutschen Studentin, die er von Cambridge nach London mitnahm. Es wunderte mich. Die 1959 noch immer zerstörte Stadt- Er kannte Kiel aus der Luft, jede Straße, jedes herausragende Gebäude, - war im Krieg Bomberpilot. Sein eigener Auftrag die Zerstörung der Werften, vor allem, sagte er, der Howaldtswerke (1), die in ihrem Spezialbunker Tag und Nacht Hitlers U-Boote bauten. Berührt von der Begegnung sann der Engländer der nachträglich unbegreiflichen Pflicht hinterher, "da unten" Untergang zu besorgen.

Der war 1945 auf dem Ostufer eingetreten. Auch auf dem Gelände der Howaldtswerke, ehemals eine der größten Schiffswerften Deutschlands, nur Trümmer, Krater, gigantisch verknäuelte Eisenträger. Wo überhaupt hatten die riesigen Schiff- und Maschinen- bauhallen gestanden, wo die Gebäude von Eisengießerei, Hammer- und Kesselschmiede? Nirgends Spuren noch von dem repräsentativen Gebäude für Verwaltung und Planung, von den freundlichen Arbeiterhäusern, dem Feierabendhaus oder auch der Direktorenvilla, die wie ehemals üblich dicht beim Werk stand.

Als 1947 der Marshall-Plan der Alliierten die Demontage der deutschen Industrie stoppte und mit Blick nach Osten der Wiederaufbau in Gang gesetzt wurde, hatte in Kiel die bei Germaniawerft und Deutschen Werken bereits vollzogene Demontage auf dem Gelände der Howaldtswerke noch nicht eingesetzt.

Diesem Umstand ist zu danken, dass ein kleines Gebäude nicht nachträglich noch vernichtet wurde, das zwar fensterlos, ohne Dach und mit niedergebrochenem Schorn- stein, aber noch mit aufrechtstehenden Mauern die Kriegszerstörung doch überlebt hatte: Die ehemalige Metallgießerei! Das einzige historische Industriebauwerk, das von allen Kieler Werften erhalten blieb. Anlass genug, um ihm Beachtung zu schenken. Aber das Gebäude ist mehr als ein interessanter, übriggebliebener Bauveteran.

Obgleich in den Abmessungen kaum imposant und zudem nach Abriss von Anbauten gegenwärtig renovierungsbedürftig, vermag diese alte Metallgießerei über ihren industriellen Zweck hinaus Kultur- und Sozialgeschichte des 19.Jahrhundert zu bezeugen, den gesellschaftlich-kulturellen Anspruch jener bürgerlichen Schicht widerzuspiegeln, die Träger der sich mit ungeheurer materieller Expansionskraft vollziehenden Industria- lisierung des vorletzten Jahrhunderts war. Es gab höfisch-staatliche Manufakturen. Bergwerke gehörten meist Adel und Staat. Aber die Begründer der im frühen 19.Jahrhundert über den manufakturellen Bereich hinauswachsenden Industrie kamen aus dem mittelständischen Bürgertum, meist aus dem Handwerk. Auch der Mitbegründer der späteren Howaldtswerke kam aus dem Handwerkerstand.

August Ferdinand Howaldt (1809 - 1883), Sohn eines Braunschweiger Goldschmieds, hatte sich nach noch alten Zunftregeln als "Mechanikus" ausbilden lassen, als "jemand, der mit Maschinen umgeht"(2), ein damals noch junger Beruf. Nach Leuten mit diesen Fähigkeiten, die sich später Ingenieur nannten, rief das nach England und Frankreich auch in den deutschen Ländern einziehende Maschinenzeitalter.

Im Braunschweigischen mochte der Bedarf noch in Grenzen gelegen haben, denn der Mechanikus-Gehilfe arbeitete einige Jahre in Hamburg. 1837 begibt er sich dann nach Kiel, um sich nach umständlichem Entlassungsverfahren aus dem Untertanenverhältnis im heimatlichen Herzogtum für immer in dieser Stadt einbürgern zu lassen. Hier übernahm er für den Kaufmann und Reeder Johann Schweffel (1796 -1865) die technische Betreuung dessen schon mit Dampfkraft betriebenen Handelsschiffs, reiste gleich anfangs in Schweffels Auftrag nach England, um dort technisches Schiffszubehör wie Dampfkessel zu ordern und stieß dabei auf unwirtschaftliche Lieferschwierigkeiten.

Das gab den Anstoß, dass sich der Mechanikus mit technischer Kompetenz und Arbeits- kraft, der aufgeschlossene Kaufmann und Reeder mit Grund und Kapital zusammentaten und schon 1838 am Ufer der Rosenwiese, einem Areal südlich der Klinkestraße, "eine Machinenbau-Anstalt in Verbindung mit einer Eisengießerei unter der Firma Schweffel & Howaldt" eröffneten (3). 1844 wird als entscheidender Wirtschaftsimpuls auf der Strecke Altona-Kiel die Eisenbahn in Betrieb genommen. "Schweffel & Howaldt" profitiert durch Aufträge und erhält einen Gleisanschluss. 1848 muss sich die aufblühende Firma mit den Zünften auseinandersetzen, die der industriellen Konkurrenz die Spaltung der Gesellschaft in "Proletarier und Millionäre" vorwarfen (4).

Weitere und größere Fabrikgebäude und neues Bauland dafür werden erforderlich. So wird auf dem soeben zur Bebauung freigebenen Damperhof nordwestlich vom Kleinen Kiel ein Gelände zwischen Muhliusstraße, Legien-(Fähr-)straße und Lorentzendamm angekauft und hier ab 1850 unter anderem eine neue Eisen- und Metallgießerei aufgerichtet: Schnelle Wachstumsschritte der Industrialisierung, wie sie für das 19.Jahrhundert kennzeichnend sind.

Zur Aufnahme von Eisenschiffbau genügte das verfügbare Firmenareal nicht. Aber "Schweffel & Howaldt" übernahm 1850 den Bau jenes legendären kleinen Brandtauchers, des ersten Unterseeboots der Welt, das der Unteroffizier Wilhelm Bauer für den Einsatz gegen die dänische Flotte konstruiert hatte - bekanntlich durch Materialeinsparungen ein Fehlschlag. 1876 zieht sich August Ferdinand Howaldt aus der erfolgreichen Firma, die er ab 1860 mit Schweffels Sohn Johann geführt hatte, ins Privatleben zurück und übergibt Aufgaben und Besitzanteile an seine drei Söhne Georg, Bernhard und Hermann. Bezeichnenderweise hatte diese "zweite Generation" nun eine vielseitige Ausbildung zum Ingenieur und industriellen Unternehmer erfahren.

Eine wichtige Entwicklungsstufe in der Firmengeschichte bedeutete das Jahr 1879: Die Familie Schweffel zieht sich aus der Firma zurück, aus "Schweffel & Howaldt" wird die Firma "Gebrüder Howaldt - Maschinenfabrik, Gießerei und Kesselschmiede"(5).

Bald wird es abermals eng auf dem Werkgelände; die heranrückende Umgebungs- bebauung erlaubt keine Ausdehnung mehr. So beschließen die drei Brüder, die Fabriken aus Kiel heraus auf Dietrichdorfer Gemarkung an die Schwentine zu verlegen. Dort hatte der herausragend begabte und dynamische Georg Howaldt schon 1876 nach Anfängen an anderem Platz in eigener Regie eine Werft für Eisenschiffe, denen die Zukunft gehörte, aufgebaut. Technisch sinnvoll lässt sich die ihr ohnehin zuliefernde Firma "Gebrüder Howaldt" nun unmittelbar neben der Firma "Georg Howaldt - Kieler Schiffswerft" nieder. Umfangreiche Neubauten werden von 1882 bis 1884 aufgeführt. 1883 gratuliert der Dichter Klaus Groth zur 250. Maschine und zum 100. Schiff (6). 1889 dann folgte der räumlichen Vereinigung beider Firmen auch die rechtliche als "Howaldtswerke", wobei die Privatunternehmen unter Beteiligung auch anderer Familienmitglieder, namentlich zu nennen Carl Diederichsen, in eine kapitalsichere Aktiengesellschaft überführt wurden (7). Erst jetzt entwickelte sich die vornehmlich als Schiffswerft bekannte Weltfirma. Die weitere Firmenbiografie ist im vorliegenden Zusammenhang nicht mehr von Belang.

Zurück zur alten Metallgießerei. - Das Gebäude entstand um 1884, in Stil und Bau- material - gelbe Backsteinklinker, rote für den Baudekor - auf die anderen Bauwerke abgestimmt. Die Bauzeit ergibt sich aus einer 1883 datierten Werkansicht noch ohne die Metallgießerei (8) und der 1884/85 erstellten Flurkarte von Dietrichsdorf mit dem Firmen- grundriss, der sie einschließt (9).

Es handelt sich auffälligerweise um einen funktional in dieser Form nicht üblichen, freistehenden Zentralbau, errichtet über quadratischem Grundriß von 16 mal 17 Metern (Nordsüdrichtung). Ein kubisches Bauwerk mit flachem, ehemals zinkblech gedecktem Pyramidendach, kastenförmigem, der Belüftung dienenden Laternenaufsatz, aus dem sich ein zylindrischer, ursprünglich etwa doppelt so hoher Mittelschornstein erhebt. Nur an seiner nördlichen Front war das Gebäude durch einen niedrigen Übergangsbau mit dem linken (östlichen) Seitenschiff der in nordsüdlicher Ausrichtung ehemals dahinterliegenden Maschinenbauhalle verbunden (10).

Das Hauptgeschoss nimmt unter offenem Dachstuhl den Gießsaal auf. Darunter liegt ein halb eingetieftes Sockelgeschoß, das als Materiallager diente.

Wurden in der Eisengießerei die großen Bauteile der Schiffe und Maschinen gegossen, so in der Metallgießerei Gegenstände wie etwa Rahmen von Bullaugen, Schalttafeln, Armaturen, Hebel, Beschläge - Teile der Technik und Ausstattung, die aus Messing, Kupfer oder Bronze bestanden. Ihre Herstellung erfolgte in entsprechend kleinen Gussformen, erforderte jeweils kleinere Mengen des Gießmaterials und deshalb nur kleine Schmelzöfen. Bei einem in der Raummitte stehenden Schornstein lassen sich mehrere Schmelzöfen gut um seinen Fuß herum aufstellen, ist im Hintergrund Platz für Gießbänke und Gussformen und der Weg kurz, um die Tiegel mit dem glühenden Metall dorthin zu bringen. Aus Gründen der leichteren Handhabung der von oben eingesetzten Schmelztiegel stehen die Öfen wie noch heute zu sehen etwa bis zur Hälfte in einer grabenartigen Bodenabtiefung. Über den Öfen als Abzug der Schmelzgase zur Seite schwenkbare, kegelförmige Blechhüte.

Es scheint, dass es sich bei dieser Metallgießerei mit funktional günstigem Mittelschorn- stein um eine Besonderheit handelt, vielleicht sogar um eine Erfindung der Gebrüder Howaldt. Der Schornstein besteht aus hohem Sockelblock, der oben in einen achteckigen Aufsatz übergeht, auf dem dann mit einer Basis aus zwei mächtigen Ringelementen aus Sandstein der zylindrische Schaft aufsteht, eine opulente Erfindung, die an klassizistische Säulen anknüpft. Reine Funktionsformen kannte jene Zeit noch nicht. Dennoch stellt sich schon bei dieser auffälligen Detailgestaltung im Innern der Gießerei die Frage: Ist dieser Zentralbau - nur ein industrieller Zweckbau?

Die Architektur ist mit künstlerischer Sorgfalt gestaltet! Flach vortretende, im Erdgeschoss sockelartig ausgebildete Backsteinlisenen gliedern eine gewisse Monumen- talität erzeugend die Fassaden in nur drei Wandabschnitte. Ein breiter Wandgürtel setzt in ruhig ausgewogener Aufrissteilung die beiden Stockwerke voneinander ab, begrenzt von kaffgesimsartig schräg gelegten, schmalen roten Klinkergesimsen; dabei schafft das über die Backsteinvorlagen hinweggeführte untere Gesims eine subtile Verbindung zwischen den waagerechten und senkrechten Gliederungen. Wie hochgestützt stehen auf dem breiten Fassadengürtel in jedem Wandabschnitt zwei große Fenster mit Halbkreisbogen auf, eine geometrisch harmonische, immer eindrucksvolle Form, die eine rote Backstein- fassung zusätzlich hervorhebt. Im Scheitel der Akzent eines aus Backstein gesetzten, langen Keilsteinelements. Durch die Wandvorlagen getrennt, rücken die großen Fenster in der Fassade wirkungsvoll zu drei Gruppen zusammen. Typisch für den Fabrikbau ist die Eisensprossenverglasung. Das Sockelgeschoss besitzt den Geländebedingungen entspre- chend nur im Süden seitlich je zwei tiefgelegte, flach segmentbogige Fenster und in der Mitte ein segmentbogiges Doppeltor. Alle Bogen wieder mit roter Backsteinfassung und dem markanten Scheitelstein. Schließlich ist Baudekor wichtig wie die zur Bauzeit beliebten, in das Mauerwerk eingelassenen, lockeren Backsteinzierleisten. Oben zwischen den Wandvorlagen liegt ein kräftiges, wirkungsvolles Zickzackgesims aus rotem Backstein, das die Fassade traufgesimsartig beherrscht.

Den Entwurf für diese qualitätsvolle Industriearchitektur lieferte der namhafte nord- deutsche Architekt Heinrich Moldenschardt (1839 -1891) (11). Er studierte zunächst in Hannover, das heißt - im vorliegenden Zusammenhang wichtig - an einem der Orte, an dem sich um die Jahrhundertmitte jene den Klassizismus weiterentwickelnde Baukunst des sogenannten "Rundbogenstils" entwickelte, die den Halbkreisbogen favorisierte. 1860 ging Moldenschardt nach Zürich, wo damals der bedeutendste deutsche Architekt des 19. Jahrhunderts, Gottfried Semper am Polytechnikum lehrte. Schöpferisch an die Geschichte anknüpfend entwickelte Semper eine Baukunst in neuen Renaissanceformen, die auch seinen Schüler nachhaltig prägte. 1867 ließ sich Moldenschardt dann als vielbeschäftigter Architekt in Kiel nieder.

Durch die Aufträge der "Herren Gebrüder Howaldt" beteiligte er sich auch an der Gestal- tung von Industriearchitektur. Überliefertes Planmaterial bezeugt seine Urheberschaft für die ehemalige Maschinenbauhalle von 1882 und das gleichzeitige ehemalige Verwaltungs- gebäude, für das er als guter Innenarchitekt auch die erlesene Innenausstattung schuf. Überdies sind Pläne seiner Hand für das einstige Pförtnerhaus und die Gebäude der Arbeiterkolonie von 1882 erhalten. Lediglich angemerkt sei, dass er auch alle Howaldtschen Direktorenvillen in Dietrichsdorf und Kiel gestaltete(12).

Plan- und Fotomaterial wie die Werkansicht von 1885 erlauben durch Stilvergleich sowohl die hinter der Maschinenbauhalle liegende riesige Eisengießerei als auch die Metallgießerei ebenfalls Moldenschardt zuzuschreiben. Deutlich übereinstimmend etwa die Monumentalität schaffende Dreifachgliederung der Fassade, die auf breitem Mauergürtel aufstehenden, paarig zusammengerückten Rundbogenfenster oder auch die Verwendung des ausdrucksvollen Zickzackfrieses.

Das Gebäude der Metallgießerei lag einmal in der westlichen Flucht der gewaltigen Maschinenbauhalle von 24 Fensterachsen Länge, war als Zentralbau Akzent und wichtiger Teil eines repräsentativen Ensembles. Wie das Foto erkennen lässt, lag östlich gegenüber das attraktive, in Neorenaissanceformen gestaltete Verwaltungsgebäude. Dazwischen befand sich ein Platz.

Mit dieser Gebäudegruppierung, die sich gegen die Schwentine, wo die Kunden an der Brücke anlegten, öffnet, schuf sich die neue Werkanlage ihre Hauptansicht (13). Repräsentativ bekrönt ist deshalb der basilikaartig erhöhte Mittelteil der Maschinenbau- halle mit einem friesverzierten, antikisierenden Dreieckgiebel mit Fahnenmast auf der Spitze. Im Tympanon "Gebrüder Howaldt" und mit gewissem Stolz im Kreisrund das Baujahr 1882 (14).

Um diese Zeit war das sich nach der Französischen Revolution stetig emanzipierende Bürgertum, begünstigt von der wirtschaftlichen Macht der in seiner Hand liegenden Industrialisierung, gesellschaftspolitisch zu der bisher führenden Schicht, dem Adel aufgestiegen. Überdies wuchs dem nun in Anlehnung an den "Adelsherrn" gerne als "Fabrikherr" bezeichneten Unternehmer gesellschaftliche Anerkennung daraus zu, dass er es war, der die gewaltigen Maschinenkräfte beherrschte und einsetzte, die oft staunend mit Naturkräften gleichgesetzt wurden.

Noch bedeutete Industrie in Deutschland ohne bittere Sozialkritik Arbeit-haben, wurden "Rauchende Schlote" dafür als Symbol gefeiert. In Kiel zählten die Wohlfahrtseinrichtungen und Arbeiterhäuser der "Gebrüder Howaldt" zudem zu den ersten, die von Zeitgenossen als vorbildlich eingestuft wurden.

Vor diesem Hintergrund wird kulturgeschichtlich verständlich, dass für Industrie- architektur - auch der Firma der "Gebrüder Howaldt", für die heute die alte Metallgießerei steht, keine lediglich ansprechende und zweckdienliche Bauform mehr genügte. Etwa von der Art der Fabrikbauwerke auf der Rosenwiese und am Kleinen Kiel -, obgleich es sich auch dort um durchaus stattliche, sich zur Förde oder zum Kleinen Kiel hin giebelständig präsentierende Gebäude handelte, auch sie meist mit Rundbogenfenstern ausgestattet, wie sie allgemein bis weit in das 19.Jahrhundert hinein bei Industriebauten bevorzugt wurden. Dieser Stil entsprach einer lange bewahrten, bürgerlichen Beziehung zu Formen, die dem Klassizismus nahe standen. In Moldenschardts Fabrikentwürfen der 1880er Jahre ist, wie wir sahen, diese Tradition noch immer wirksam.

Nun hatte die Architektur Rang und Ansehen einer Firma zum Ausdruck zu bringen, als Baukunst des industriellen Bürgertums zugleich dessen Anspruch und Selbstverständnis widerzuspiegeln, ähnlich wie einst beim Adel die Schlösser - die um diese Zeit nicht mehr gebaut wurden. Folgerichtig lag die Gestaltung dieser Industriebaukunst jetzt in der Hand schöpferisch arbeitender Architekten, nicht länger in jener wackerer, traditionsgebundener Bauhandwerker.

Namhafte Architekten des beginnenden 20.Jahrhunderts wie Paul Bonatz, Peter Behrens, Hans Poelzig und andere sahen dann in der Industriebaukunst sogar die eigent- liche monumentale Bauaufgabe der Zeit.

 

Aus dem Buch:
Tradition und Aufbruch im Schwentinetal
Gert Kaster(Hg.)

Sonderveröffentlichungen der
Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte
Herausgegeben von Jürgen Jensen
Band 38

ISBN 3-89876-035-9

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Letzte Änderung: 21.02.05